Veröffentlichungsdatum: 28.09.2021
Bei Blue Dragon Vietnam haben wir gerade unsere bisher vielleicht komplexeste Rettungsaktion abgeschlossen.
Trang (18) und Hien (29) wurden von Menschenhändlern von Vietnam nach Myanmar verschleppt und dort in einen nördlichen Bundesstaat an der Grenze zu China gebracht, der weitgehend gesetzlos und für die meisten Menschen unerreichbar ist.
In diesem Gebiet ist Gewalt weit verbreitet und der Ausbruch von Covid-19 verläuft vollkommen unkontrolliert. Menschenhandel ist dort ein massives Problem, und in einer derart instabilen Situation ist es fast aussichtslos, Hilfe zu finden.
Trang und Hien verließen Vietnam in dem Glauben, dass sie in Fabriken in China arbeiten würden. Stattdessen wurden sie an die brutalsten Bordelle verkauft, die man sich vorstellen kann.
Als sie endlich die Möglichkeit hatten, Hilfskräfte zu kontaktieren, waren wir bereit, sie so schnell wie möglich zu retten. In der Realität waren uns aber die Hände gebunden. Angesichts der politischen Instabilität und der Corona-Pandemie, die einen ungehinderten Grenzüberschritt erschwert, konnten wir Trang und Hien zwar aus dem Bordell befreien, sie aber nicht in eine andere Stadt bringen, in der die Menschenhändler sie nicht finden würden.
Sie saßen nach wie vor in der Falle und an jedem Tag, an dem sie sich versteckten, liefen sie Gefahr, von den Menschenhändlern wiedergefunden zu werden. Uns war klar, dass den Beiden harte Strafen drohten, wenn man sie fand, möglicherweise sogar der Tod.
Wir wissen von mindestens zwei vietnamesischen Frauen in der Region, die von ihren Menschenhändlern ermordet wurden, weil sie sich weigerten, ihnen zu gehorchen.
Die einzige Möglichkeit, Trang und Hien in ihr Heimatland zurückzubringen, führte über den Landweg. Und so begleitete das Rettungsteam von Blue Dragon die beiden Frauen von Myanmar aus auf einer fünf Wochen andauernden Reise, bis sie sicher in Vietnam ankamen.
Oft ging es zu Fuß, manchmal auch mit dem Auto, Motorrad oder Boot. Sie mieden Hauptstraßen und große Städte, rationierten Lebensmittel und verbrachten die Nächte am Lagerfeuer im Dschungel. Um nach Vietnam zurückzukehren, reisten sie mit dem Rettungsteam auf über 2.000 Kilometern unter anderem über Berge und Flüsse.
Es war oft beängstigend und anstrengend, aber immer noch besser, als darauf zu warten, von den Menschenhändlern gefangen und gefoltert zu werden. Mittlerweile befinden sich beide in Quarantäne in Vietnam und warten auf die Wiedervereinigung mit ihren Familien. Sie erfreuen sich bester Gesundheit und sind unglaublich erleichtert, so nah an ihrem Zuhause zu sein.
Blue Dragon hat bereits über 1.000 Menschen aus der Sklaverei befreit, aber eine solche Rettungsaktion haben wir noch nie durchgeführt. Wir hoffen, dass wir es auch nie wieder tun müssen. Nach Abwägung aller Möglichkeiten war es jedoch die einzige Option, um sicherzugehen, dass Trang und Hien es lebend nach Hause schaffen würden.
Blue Dragons Mission besteht nicht darin, Menschen vor dem Menschenhandel zu retten. Unsere Aufgabe ist es, den Menschenhandel insgesamt zu beenden.
Rettungsmaßnahmen sind ein wesentlicher Bestandteil davon.
Nachdem Trang und Hien nun aus der Sklaverei befreit sind, werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass diejenigen, die sie verschleppt haben, vor Gericht gestellt werden. In den letzten Monaten haben wir Hunderte von Hilferufen für andere Frauen und Mädchen erhalten, die in den Norden Myanmars verschleppt wurden, und wir arbeiten daran, sie zu finden und sie alle nach Hause zu bringen.
Übersetzt von Kirsten Broschei (Originaltext aus Blue Dragon Vietnam-Newsletter vom 28.09.2021)